Beschreibung:

383 S. : zahlr. Ill., Kt. ; 24 cm. Originalbroschur.

Bemerkung:

Sauber erhalten, nur kleine Alterungsspuren am Umschlag.. Aus dem Französischen übersetzt und mit einem Nachwort von Silvia Henke, Martin Stingelin, Hubert Thüring. - Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts war die Salpetriere das, was sie immer schon gewesen war: eine Art weiblicher Hölle, eine cittd dolorosa, viertausend Frauen, unheilbare oder verrückte, waren in sie eingeschlossen. Ein Alptraum in Paris, in nächster Nähe zu seiner "Belle Epoque". Und genau dort war es, daß Charcot die Hysterie wiederentdeckte. Wie? Das soll hier nachzuzeichnen versucht werden, von all den klinischen und experimentellen Prozeduren über die Hypnose und zu den spektakulären Vorstellungen von Krankheitsanfällen im Amphitheater in den berühmten Dienstagsvorlesungen, den "lesons du mardi". Mit Charcot entdeckt man, wozu ein hysterischer Körper fähig ist. Dies aber grenzt an Wunder; es grenzt an Wunder, es übersteigt die Vorstellung, es übersteigt, wie man so sagt, "alle Erwartungen". Welche Vorstellung, welche Erwartung? Darauf genau kommt es an. Was die Hysterischen der Salpetriere mit ihrem Körper zur Schau gestellt haben, entspringt einem außerordentlichen Einverständnis der Mediziner mit den Patienten. Eine Beziehung aus Wünschen, Blicken und Wissen. Und das ist es, was befragt werden soll. Was uns heute bleibt, sind die Bilderserien der "Iconographie photographique de la Salpetriere". Darin findet sich alles: die Posen, die Schreie, die Krisen, die "leidenschaftlichen Haltungen" ("les attitudes passionnelles"), die "Kreuzigungen", die "Extasen", alle Posituren des Deliriums. Alles scheint versammelt zu sein, weil die photographische Situation auf ideale Weise das Band zwischen dem Phantasma der Hysterie und einem Phantasma des Wissens herauskristallisierte. Ein wechselseitiger Reiz wurde errichtet zwischen Medizinern, die gierig waren auf Bilder der Hysterie, und Hysterischen, die voller Zustimmung in der Theatralität ihrer Körper überbordeten. So wurde die Klinik der Hysterie zu einem Schauspiel, zur Erfindung der Hysterie. Verstohlen identifizierte sie sich sogar mit etwas wie einer Kunst, ganz nahe beim Theater und bei der Malerei. Aber die immer weitertreibende Kraft dieses Reizes bewirkte eine paradoxale Situation: In dem Maße wie sich die Hysterische ganz nach Belieben erfinden und zu Bildern machen ließ, verschlimmerte sich ihr Leiden in einem gewissen Sinn. Zu einem gegebenen Punkt brach der Reiz zusammen, und die Zustimmung wendete sich in Haß. Diese Wende soll untersucht werden. (aus "Übersicht"). ISBN 9783770531486