Beschreibung:

92 S. 8°, OBrosch. Ein zentraler Debattenpunkt auf dem zweiten und letzten SAPD-Kongress vor der Repression im Zuge der sog. Sozialistengesetze (1878-1890) kreiste um die Ausrichtung und den Inhalt des aus dem ?Volksstaat? (ehem. Zentralorgan der SDAP) und dem ?Neuen Social-Demokrat? (ehem. Zentralorgan des ADAV) hervorgegangenen neuen Zentralorgans ?Vorwärts?. Vor allem entzündete sich der Konflikt an dem Abdruck von Teilen von Friedrich Engels ?Anti-Dühring?. Viele Delegierten monierten die akademische Ausdrucksweise Engels?. Außerdem genoss der eigenwillige Berliner Gelehrte Eugen Dühring in der Arbeiterschaft einen hohen Stellenwert. Auch Wilhelm Hasselmann griff in die Debatte hinsichtlich des Erscheinungsbildes des ?Vorwärts? ein: ?Die Artikel des ?Neuen Social-Demokrat? waren wissenschaftlich und zugleich populär; hierin liege auch kein Widerspruch. Lassalle habe gewiß wissenschaftlich und auch populär geschrieben.? W. Liebknecht, der mit W. Hasenclever die verantwortliche Redaktion bildete, konterte lt. stenographischem Protokoll: ?Liebknecht wendet sich zunächst gegen den Ausspruch [...], daß die Engels?schen Artikel nicht die Censur der Redaction passirt hätten; diesen Vorwurf müsse er zurückweisen, indem er ausdrücklich erkläre, daß diese Artikel mit voller Absicht aufgenommen wurden, und ihrem ganzen Inhalte nach Redners Anschauungen entsprochen haben. Die Artikel seien durchaus wissenschaftlich, und ihre Veröffentlichung sei nothwendig gewesen.? Des weiteren nimmt er Stellung zur Frage, inwieweit der ?Vorwärts? als Agitationsblatt zu verstehen sei und nimmt sich in diesem Zusammenhang der ?spalterischen Tätigkeit? Hasselmanns mit seiner Herausgabe der ?Rothen Fahne? an: ?Wenn dem ?Vorwärts? der Vorwurf gemacht wird, daß derselbe seine Pflicht als Agitationsblatt nicht erfülle, so sei schon hervorgehoben worden, daß derselbe kein eigentliches Agitationsblatt, sondern ein geistiger Vorkämpfer des arbeitenden Volkes sei. [...] Die Artikel des ?Vorwärts? seien auch populär; freilich sei ?populär? ein dehnbarer Begriff, wenn auch nicht in dem Sinne Hasselmann?s, dessen styl er indessen nicht kritisiren wolle. Vermißten übrigens die Leser Artikel á la Hasselmann, so sei dies dessen Schuld, da er nicht in die Redaction des ?Vorwärts? eingetreten sei, und auch das Versprechen nicht gehalten habe, Artikel für denselben zu schreiben. [...] Hasselmann habe statt dessen die ?Rothe Fahne? in?s Leben gerufen, welche unzweifelhaft ein Conkurrenzunternehmen gegen den ?Vorwärts? sei, und den spezifischen Lassalleanismus in einer Weise betone, daß es beinahe den Anschein der Provokation einer Spaltung habe.? In einer Gegenrede protestiert Hasselmann gegen den Spaltungsvorwurf. Außerdem verneint er, dass die ?Rothe Fahne? eine Konkurrenz zum ?Vorwärts? darstellen würde: ?Die ?Rothe Fahne? habe viel genützt und dem ?Vorwärts? keine Concurrenz gemacht, im Gegentheil, denselben stets empfohlen.? Zur Unterstützung der Positionen gegen den Weiterabdruck der ?Anti-Dühring?-Artikelserie von Engels brachte Johann Most einen Antrag ein, wonach ?Artikel, welche, wie beispielsweise die in den letzten Monaten von Engels gegen Dühring veröffentlichten Kritiken, für die Mehrheit der Leser des ?Vorwärts? ohne Interesse sind, künftighin aus dem Centralorgan fortzubleiben [haben].? Bebel bringt im Verlauf der Debatte den mehrheitsfähigen Antrag ein, wonach ?der Congreß den Genossen Hasselmann [ersucht], die ?Rothe Fahne? eingehen zu lassen.? Im Zusammenhang mit der Agitation und Propaganda u. a. im Zuge von Wahlkämpfen moniert Johann Most die verschiedentlich festzustellende defensive Positionierung, die dem Parteiprogramm zuwiderlaufen würde. In typisch Most?scher Manier, für die er später berühmt-berüchtigt werden sollte, heisst es: ?Man habe vielfach nicht gewagt, radical vorzugehen, sondern sich so verblümt wie möglich ausgesprochen. Es wäre deshalb zu empfehlen, dass bestimmt würde, es sei künftig strikte Farbe zu bekennen. Redner habe die Wahrnehmung gemacht, dass das Verblümen nichts nutze, sondern man eher durchdringe, wenn radical vorgegangen werde. Seine Gegner hätten Stellen aus seinen Broschüren gerissen und ihm entgegen gehalten; er habe bei solchen Gelegenheiten erklärt, dass es noch viel schärfer gemeint sei, wie die Stellen lauteten. Das zog! Bei solchen Gelegenheiten habe es sich gezeigt, dass alle Feinde mit dem Schwerte des Socialismus desto eher in die Pfanne gehauen werden können, je schärfer es sei.? Aber auch für kleine Anekdoten bot der Kongressablauf eine passende Gelegenheit. So mokiert sich W. Liebknecht über zunehmende mediale Präsenz in der Parteipresse: ?Liebknecht weist darauf hin, daß in der letzten Zeit ein wahrer Unfug mit Photographien, besonders Gruppenbildern der Reichstagsabgeordneten, getrieben werde. Es würde damit der Personencultus in der widerlichsten Weise gefördert. Im Reichstage sei Redner einmal privatim vorgehalten worden, daß die Socialisten den Bismarckcultus verurtheilten, selbst aber einen weit größeren Cultus betrieben. Man möge deshalb ein Ende damit machen. - Am Rücken leicht beschädigt, Bindung aber noch fest, sonst guter Zustand.