Beschreibung:

207 S. ; 8. Originalleinen.

Bemerkung:

Aus der Bibliothek von Prof. Wolfgang Haase, langjährigem Herausgeber der ANRW und des International Journal of the Classical Tradition (IJCT) / From the library of Prof. Wolfgang Haase, long-time editor of ANRW and the International Journal of the Classical Tradition (IJCT). - sehr guter Zustand - EINLEITUNG -- Diese Arbeit ist ein Versuch, das Wesen und die Eigenart der antiken forensischen Rhetorik besser, als das bisher geschehen ist, sichtbar zu machen. In ihrem Mittelpunkt steht die Interpretation von Reden, denn nur im Einmaligen, Besonderen, ganz der konkreten Situation Verhafteten einer bestimmten Rede ist diese Eigenart ganz zu fassen. Dennoch müssen wir dabei auch auf die rhetorische Theorie ausführlich eingehen. Denn da antike Reden im klaren Bewußtsein all dessen, was diese Theorie vorschreibt, verfaßt sind, lassen sie sich ohne ihre Berücksichtigung auch nicht befriedigend interpretieren. Allerdings muß man hierbei eine zutreffende Vorstellung davon haben, in welcher Weise und inwieweit der Redner sich von ihren Vorschriften leiten läßt. Daß er ihnen, wenn er einmal über den Zustand des Adepten hinausgekommen ist, nicht einfach sklavisch folgt, so daß die Rede sich in ein Mosaik getreulich beachteter rhetorischer praecepta auflösen ließe - das ist schon mehrfach ausgesprochen worden, methodisch jedoch bisher kaum berücksichtigt. Es empfiehlt sich daher, auf das Verhältnis von Theorie und Praxis in der forensischen Rhetorik kurz einzugehen. -- Die Theorie ist hier etwas ganz Sekundäres - ist nämlich lediglich eine nachträgliche und vereinfachende Zusammenfassung der Erfahrungen, welche sich in der Praxis ergeben haben. Sie hat hauptsächlich einen didaktischen Zweck: Mit ihr soll nämlich dem angehenden Redner ein Leitfaden in die Hand gegeben werden, welcher ihm die noch fehlende Erfahrung ersetzt. Er erlernt ihre praecepta zunächst ganz mechanisch; wenn er aber eine gute rednerische Veranlagung besitzt und sich ständig übt, wird er nach und nach auch ihren tieferen Sinn einsehen, wird, anders ausgedrückt, zu jenen allgemeinen rhetorischen Grundsätzen vordringen, von welchen die Vorschriften nur die besonderen Ausprägungen und die Anwendung auf den Durchschnittsfall sind.4 Dann wird er sie auch nicht mehr mit ängstlicher Pedanterie befolgen, sondern sinngemäß und mit einer gewissen großzügigen Freiheit. In der Praxis ist das ja sogar notwendig, da der Redner sich hier immer wieder ganz anderen und oft außergewöhnlichen Situationen gegenübersieht, in denen abstrakte rhetorische Regeln wenig helfen können.