Beschreibung:

492 S. Mit zahlr. Abb. Originalleinen mit Schutzumschlag.

Bemerkung:

Ein gutes und sauberes Exemplar. - In dem 1519 verfaßten sogenannten Kleinen Galaterkommentar bezeichnete Luther die "Tugenden der Heiden" als eine "Täuschung". Der Reformator wandte sich damit gegen die Vorstellung, man könne durch tugendhaftes Handeln an seinem Heil mitwirken. Nicht die guten Werke des Menschen, allein die Gnade Gottes und das Opfer Christi führten in Luthers Theologie zur Erlösung. Die antiken Tugendlehren, auf die sich dagegen die Humanisten verstärkt beriefen, lehnte der Reformator ab. Auf den ersten Blick möchte man daher annehmen, nach der Reformation wären Bildzyklen mit Tugendpersonifikationen weitgehend verschwunden. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Es sind zahlreiche Beispiele überliefert. Offenkundig erkannte man nach der Reformation insbesondere in den Städten verstärkt die Notwendigkeit, die Bürgerschaft auf einen bestimmten ethischen Normenkatalog zu verpflichten. Künstler und Auftraggeber sahen sich in der Konzeption dieser Bildprogramme vor eine Schwierigkeit gestellt: Die einzelnen Personifikationen mußten erkennbar bleiben, was allein durch die Verwendung der traditionellen Attribute gewährleistet war; gleichzeitig galt es, den theologischen Wandel, die veränderte Tugendkonzeption, anschaulich zu machen. Wie unterschiedlich die formalen Lösungen, die Auswahl der Tugenden, aber auch die Funktionen der Kunstwerke sein konnten, wird anhand einzelner Zyklen exemplarisch analysiert: Während das Pirnaer Bildprogramm offenkundig das Andenken an die Reformation in der städtischen Kirchengemeinde wachhalten sollte, wurde am Ulmer Rathaus im Anschluß an die theologisch korrekte Bestimmung der Tugend als Gnadenkraft Gottes auch die antike Pflichtenlehre wieder ausgiebig zitiert. Die Frage, weshalb unter den Figuren des Nürnberger Tugendbrunnens die Personifikation der Klugheit fehlt, läßt sich im Kontext der theologischen Ethik mit einem Hinweis auf Luthers Vernunftkritik beantworten. Im Zusammenhang der philosophischen Ethik erscheint es dagegen eher möglich, daß der Nürnberger Rat als Auftraggeber hier soziale Differenzierungsprozesse abbilden wollte, da Pruden- tia in der Ikonographie des Rathausportals nicht vergessen wurde. ISBN 9783786123910